Ein Glücksfall namens Paul by Elmar Schnitzer

Ein Glücksfall namens Paul by Elmar Schnitzer

Autor:Elmar Schnitzer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Langen Müller
veröffentlicht: 2013-02-25T16:00:00+00:00


10

Retter in der Not

Es gibt keine Treue, die nicht schon gebrochen wurde,

außer die eines wahrhaft treuen Hundes.

Christian Friedrich Hebbel

Ein Rumpeln, schrilles Klirren und schließlich ein dumpfes Krachen schreckte meine Familie und mich morgens gegen vier Uhr aus dem Tiefschlaf. Es war ein eisiger Januar, und ich glaubte, eine Schneelawine sei vom Zinkdach in das Patio vor dem Schlafzimmer gerutscht und auf dem Hartholzboden zerborsten. Das passierte öfter, vielleicht nicht mit der gleichen Wucht.

Da hörte ich Paul bellen, wie ich ihn nie zuvor bellen gehört hatte. Aggressiv, überlaut. Bebend! Zwei Türen hatten das Bellen gedämpft. Als ich sie geöffnet hatte, um nachzusehen, was ihn so erregte, knallte das anhaltende Gebell wie Schüsse durchs Dunkel, vielfach verstärkt durch den Widerhall der hohen Wände. Nie gekanntes Knurren schreckte mich. Ich schaltete das Licht ein, bog um die Ecke – und erstarrte, auch vor Kälte.

Fast sechs Meter bodentiefe Fenster waren nur noch ein Scherbenhaufen, der das Parkett unter sich begraben hatte. Als habe eine Granate das Doppelglas zerschmettert. Einige verbliebene lange Glasspitzen ragten wie Dolche aus den weißen Rahmen ins Nichts. Das Licht spiegelte sich in ihnen. Gespenstisch.

Zwischen den Scherben lagen mehrere Steine, beinahe so groß wie Fußbälle, und entsprechend schwer. Mit ihnen waren die zwei Meter hohen Fenster eingeworfen worden. Es muss blitzschnell gegangen sein. Die Steine hatten ein Beet im Patio begrenzt. Wusste der Werfer, dass sie dort quasi für ihn bereitlagen? War er schon einmal hier gewesen, um alles auszuspionieren?

Paul stand vor dem Scherbenteppich, bellte und knurrte noch immer Richtung Dunkelheit. Der ganze Hund zitterte und war gleichzeitig angespannt bis in die Haarspitzen.

War der Täter noch da draußen im Garten? Witterte Paul ihn? Wollte er uns ans Leben? gingen die Fragen durch meinen Kopf. Angst packte mich und ließ mich nicht mehr los.

Der Winterwind wehte eiskalt herein. Ich hatte mir nur einen Morgenmantel übergeworfen. Die Angst verstärkte das Frieren noch. Rufe hallten durch die Nacht.

»Bleib stehen! Halt!«

Es war die Stimme meines Sohnes. Sein Apartment liegt an der Vorderseite des Hauses, und er rief offenbar aus dem Fenster nach unten.

»Ich bin durch das Klirren aufgewacht und habe geglaubt, jemand schlägt die Scheiben vom Auto unseres Nachbarn ein«, berichtete er uns später. Der graue Mercedes vor der Garage des Nachbarn aber war unbeschädigt.

Im grellen Licht der Lampen, eingeschaltet von den Bewegungsmeldern, hatte mein Sohn eine schwarze Gestalt die Auffahrt entlang aus dem Garten flüchten sehen. Paul hatte also das richtige Gespür gehabt: Der Täter hatte uns aus dem Dunkel beobachtet. Das Fenster meines Sohnes liegt zu hoch, als dass er hätte hinunterspringen und die flüchtende Gestalt verfolgen können. Eine Kapuze verbarg Kopf und Gesicht.

Der Mann muss durch eine Lücke im Zaun zur Nachbargarage auf unser sonst gut gesichertes Grundstück geschlüpft sein. Die Lücke sieht man nicht ohne weiteres. Also hatte er die Örtlichkeiten ausgekundschaftet, bevor er uns nachts überraschte.

Das Patio innerhalb des Gartens, in dem unsere Wohn- und Schlafräume liegen, ist hoch ummauert. Die Mauer ist ganzjährig dicht mit Efeu bewachsen und damit eigentlich unüberwindlich. Aber was nützt das, wenn die weiße schmiedeeiserne Tür zum Patio nicht verschlossen ist?

Auch das muss der Attentäter gewusst haben.



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